[Malakut Four] Die Geister der Vergangenheit

Vielleicht habt ihr schon einmal von den Abenteuern gehört, welche die exotische Ka’ani, der entstellte Iphedimeir  und der hünenhafte u’Nob in M‘lor erlebten. Vermutlich, denn immerhin gibt es mindestens drei Versionen der Geschichte. Für jeden der beteiligten Helden eine. Doch habt ihr euch jemals gefragt, was Kruun, der zuvor und danach so viele Abenteuer mit jenen Dreien bestritten hat (Annahme zum Entstehungszeitpunkt des Vorworts), während dieser Zeit widerfahren ist? Dies ist seine Geschichte:

I

Normalerweise war Kruun ja für jedes Abenteuer zu haben. Auch die Aussicht durch den dichtesten Dschungel in eine verfluchte Ruinenstadt vorzudringen konnte ihn nicht schrecken. Er hatte den Qush überlebt und er würde auch den Qo bezwingen. Aber wozu? Um sich etwas zu beweisen? Sie hatten ein verdammtes Luftschiff und hätten ohne weiteres nach M’lor fliegen können. Natürlich, es gab gute Gründe dieses doch sehr auffällige Fortbewegungsmittel in nächster Zeit nicht zu nutzen. Aber wer sollte sie über dem dichten Dschungel schon sehen, geschweige denn aufhalten?

Allerdings hätte ihn auch die Aussicht auf lange Fußmärsche durch tropische Hitze und dichtes Unterholz nicht davon abhalten können seinen Freunden beizustehen. Er war jetzt Kapitän der Dämonenbraut, wie er sein Fluggerät inzwischen fast liebevoll nannte. Seltsam, wenn man bedachte wie wenig er seinen einstigen Beinamen – Dämon – schätzte. Er war nicht besonders grausam gewesen. Nicht für einen Kerkermeister. Und dennoch hatten die Gefangenen ein Monster in ihm gesehen. Hauptsächlich – und davon war er überzeugt – wegen der Narbe. Das war einfach nicht gerecht. Teufelsfratze war ihm da tausendmal lieber, so unschmeichelhaft diese Bezeichnung auch sein mochte. Immerhin machte die Bezeichnung deutlich, dass sie sich auf sein Aussehen bezog.

Als Kapitän wollte er sichergehen, dass seine Mannschaft ihren Aufgaben auch gerecht wurde. Ein Luftschiff, das nicht fliegen durfte, zu warten war langweilig. Immer wieder die gleichen öden Arbeiten verrichten zu sollen, machte es leicht nachlässig zu werden.

Außerdem hatte er nun die Gelegenheit das Luftschiff eingehend zu studieren. Ebenso bot der nahe Magierturm mit der leicht ramponierten Bibliothek die Gelegenheit seinen Horizont zu erweitern. Er studierte Karten und alles was er zur Geographie Lemurias und der Kunst der Navigation finden konnte. Selbst über Alchemie versuchte er sich etwas Buchwissen anzueignen, um die Dämonenbraut besser zu verstehen und vielleicht sogar einfache Reparaturen ausführen zu können. All das natürlich mit bescheidenen Erfolg. Er war nicht dazu geschaffen viel aus alten Schriften und von einem Haufen toten Metalls zu lernen. Und die Bücher des verstorbenen Magiers waren nicht zusammengetragen worden, um einen Luftpiloten bei seiner Ausbildung behilflich zu sein.

Doch obwohl er all das tat und dabei mehr Geduld an den Tag legte, als ihm selbst seine engsten Freunde zugetraut hätten, war auch das nicht der Grund, weshalb er sie alleine ziehen ließ. Nein, er hatte geträumt. Und Träume hatten Bedeutung. Noch dazu jene einer Vollmondnacht, wenn die Meuchler Halakhs ihren Kir unter ihre Kopfkissen legten und im Schlaf zu den Seelen ihrer Waffen sprachen. In dieser Nacht war Kruun gestorben. Erdrosselt von kriechenden, blutgierigen Ranken. Grund genug den Kir, eine Waffe die wie ein guter Freund war, einen Mond lang nicht zu ziehen. Grund genug nicht in den Qo zu reisen. Die Omen einer Vollmondnacht zu missachten, wäre mehr als nur töricht gewesen.

Als Kruun seine Freunde verabschiedete trug er an Stelle Tarings der Zweiten einen ganz normalen Dolch am Gürtel. Einen ganz gewöhnlichen Stück Stahl, das keinen Namen verdient hatte. Er hoffte, dass er diesen seelenlosen Klumpen Metall niemals brauchen würde. Zumindest hatte er noch sein gewohntes Schwert Orak die Erste und seine Dämonentöterwaffe Ipheronium den Zweiten, eine von u’Nob gefertigte Harpune, die nichts außer das Metall mit dem primitiven und hastig gefertigten Spieß aus Shabur gemeinsam hatte.

Da seine Freunde einen Weg einschlugen, der ihm verwehrt blieb, konnte er ihnen nichts mitgeben, außer seine besten Wünsche und eine Karte M’lors, die er vor Urzeiten beim Würfelspiel gewonnen hatte. Er konnte schon gar nicht mehr sagen wo und von wem. Er selbst blieb mit der Unrast eines eingesperrten Raubtieres zurück. So sehr er auch versuchte sich durch sein Studium der Luftfahrt – einer Kunst, die so jung war, dass es außerhalb von Satarla keine Literatur dazu gab – abzulenken, stellte er doch bald fest, dass er in einer Sackgasse feststeckte. Und so taugte er hauptsächlich dazu die Mannschaft der Karawanserei verrücktzumachen.

Es war für alle Beteiligten eine Erleichterung, als ein Spähposten eine Staubwolke am südlichen Horizont entdeckte. Da er der einzige Anwesende „Held“, der kleinen Truppe war, die damals den Turm eingenommen hatte, war er irgendwie der Anführer hier. Man erwartete von ihm, dass er auf die Situation reagierte und er hatte endlich eine andere Aufgabe, als jene die ihn zunehmend frustrierte.

Er ließ sich augenblicklich den einzigen Kroark im Stall und drei Parvali herbeibringen. Dann rief er Nasso, Deston und Erfan aus der Mannschaft der Dämonenbraut zu sich. Ganz einfach, weil er ihre Namen besser kannte, als die der Besatzung dieser Anlage. Sie waren genauso glücklich wie er über die Unterbrechung im Alltagstrott und schwangen sich ohne zu murren in die Sättel. Gemeinsam ritten sie den Neuankömmlingen entgegen.

Diese waren übler Verfassung. Soviel war schon zu erkennen, als sie, genau wie er selbst, gerade außerhalb der Reichweite eines guten Bogenschützen ihre Tiere zügelten. Zum größten Teil waren sie Soldaten. Einer von ihnen, offenbar der Offizier, hing mehr tot als lebendig über seinem Parvalus. Nicht weniger als drei gefiederte Pfeilschäfte ragten ihm aus dem Rücken und hefteten den einfachen Reisemantel, der die Rüstung der Palastwache nur unzureichend verbarg, dort fest. Sein Reittier schien bei kaum besserer Gesundheit zu sein und stand kurz davor zusammenzubrechen. Er musste es mit Nachdruck antreiben, um es nochmals zu einer Art taumelten Schritt zu bewegen. Gleichermaßen langsam und auf jede verdächtige Bewegung der Gegenseite bedacht, setzten sich auch die Leute aus der Karawanserei in Bewegung.

Die einfachen Soldaten waren etwas glimpflicher davongekommen, als der Otar, aber nicht viel. Kruun interessierte sich allerdings nur für die einzige unverletzte Gestalt in dieser blutigen Gesellschaft. Stolz und aufrecht wie eine Königin saß sie im Sattel. Vielleicht war sie auch genau das, wenn man bedachte, dass sie von Palastwächtern eskortiert wurde. Sie erwiderte seinen Blick so gelassen, als existiere seine entstellende Narbe gar nicht. Ihre bernsteinfarbenen Augen, die so ziemlich das einzige waren, das ihr Gesichtsschleier freigab, wirkten einzigartig. Doch wären sie das gewesen, hätten die den Dämonentöter nicht so sehr aus der Bahn geworfen.

Der Name Irea lag ihm auf der Zunge, doch das konnte nicht sein. Immerhin war besagte Frau in seinen Armen gestorben. Es war fast schmerzhaft, so sehr drängte der Name danach über seine Lippen zu kommen. Doch allein schon die geringe Möglichkeit, dass diese Fremde etwas mit ihr zu tun hatte, hielt ihn davon zurück ihn zu äußern. Er wollte nicht erklären müssen, was aus ihr geworden war.

Hatte der alte Sark seine Haremsdamen vielleicht nach den Augen ausgewählt? Hatte Zomat Deshar sie einfach übernommen? Er konnte es verstehen. Diese Frau war eine Schönheit, da war er sich sicher. So wenig er auch von ihr erkennen konnte. Vielleicht hätte er den Thron mitsamt all den Annehmlichkeiten doch selbst… Nein, das war nicht möglich gewesen. Was sonst hätte für sein erbärmliches kleines Leben eintauschen sollen?

„Wer seid ihr?“ Die Frage, die zwischen schmerzhaften Atemzügen, die gut und gerne zu den letzten des Offiziers zählen mochten, herausgepresst worden waren, riss das Narbengesicht zurück in die Gegenwart. „Kruun, ein wandernder Krieger“, gab er nur für sich selbst Auskunft. Als wäre er alleine hier. Als gäbe es die Karawanserei im Hintergrund nicht. „Ihr braucht Hilfe und könnt nicht wählerisch sein.“

Der Otar nickte und hätte ihm nicht die Kraft dazu gefehlt, hätte er wohl die Zähne geknirscht. Was half es ihm vorsichtig zu sein und eine Falle zu enttarnen, wenn er währenddessen verblutete? Und wenn vier gesunde Krieger völlig ausreichten, um ihn und seine acht schwerverwundeten Gefolgsleute zu überrennen, egal ob sie das Überraschungsmoment auf ihrer Seite hatten oder nicht.

„Deston, Du reitest zurück. Leandra soll sich darauf vorbereiten Schwerverletzte zu behandeln. Nasso und Erfan, ihr geht zu Fuß. Helft ihm und ihm auf eure Parvali.“ Er deutete auf den Offizier und einen Soldaten mit einem ähnlich entkräfteten Reittier. Die Vierbeiner würden als Futter für die Aasfresser zurückbleiben. Die beiden Luftmatrosen wirkten wenig begeistert, folgen aber seinen Anweisungen.

II

„Ich hätte vermutlich drei Männern das Leben retten können, wenn Du nicht darauf bestanden hättest, dass ich Hamett zuerst behandle“, beschwerte sich Leandra. Ihre Arme waren bis über die Ellenbogen blutig und sie sah ziemlich erschöpft aus. „Na ihn!“, zischte sie mit einer Geste in Richtung des Otars, als sie Kruuns verständnislosen Blick bemerkte. War es ein so ungewohnter Gedanke für ihn, dass auch Fremde Namen hatten? Und dass man sie danach fragen konnte?

Der Krieger nickte und wirkte nicht so, als würde es ihn sonderlich belasten, dass seine Entscheidung drei Leuten das Leben gekostet hatte. Nur zwei der einfachen Soldaten hatten lange genug überlebt, dass die Alchemistin dazu gekommen war, sich auch um sie zu kümmern. Bei den Pavali sah es noch schlechter aus. Abgesehen von dem der Frau würde wohl nur einer wieder werden. Die Besatzung der Karawanserei war schon dabei die übrigen einzupökeln. In nächster Zeit würde niemand hungern müssen. Für den Abend hatte Kruun ein Festmahl angeordnet, auch wenn der Anlass etwas makaber schien.

„Jetzt ruh dich aber erst einmal aus, ich fürchte ich muss dich bald schon wieder um einen Gefallen bitten.“ Das Blitzen in Leandras Augen verhieß nichts Gutes. Seit u’Nob aufgebrochen war, wirkte sie ohnehin etwas gereizt. „Was denn?“, fauchte sie ihn an. „Das Mädchen, ich vermute es wird weibliche Gesellschaft der meinen vorziehen. Und da haben wir nicht viel Auswahl.“ Das brachte ihm einen schrägen Blick ein. So führsorglich kannte sie ihn gar nicht. Sie konnte ja nicht wissen, dass der Anblick dieser Bernsteinaugen schmerzhafte Erinnerungen in ihm weckte.

So leicht, wie er sich das vorgestellt hatte, konnte sich Kruun allerdings nicht aus der Verantwortung stehlen. Zu seiner Überraschung suchte die Fremde ausgerechnet seine Nähe. Und das obwohl er nicht gerade ein Frauenschwarm war. Schon gar nicht, seit er die Narbe davongetragen hatte. Sie setzte sich ihm gegenüber ans Feuer, über dem das Parvalusfleisch schmorte, und sah ihn aus unbewegten Bernsteinaugen an. Er versuchte ihren Blicken unauffällig zu entkommen, holte sich einen Krug Wein und setzte sich an eine andere Stelle. Es dauerte nicht lange und sie saß ihm abermals gegenüber. Sie war wie ein Gespenst der Vergangenheit, das ihn verfolgte.

Schließlich ging er zu ihr. Er war zu dem Schluss gekommen, dass es leichter war neben ihr zu sitzen als sie ansehen zu müssen. „Was willst du von mir?“ Sie schwieg eine ganze Weile, als müsse sie die Worte in ihren Kopf zurechtlegen. „Würdest du jemanden für mich töten?“ Eine überraschend direkte Frage, wenn man bedachte wie lang sie dafür gebraucht hatte.

„Kommt darauf an.“

„Auf die Bezahlung?“ Er nickte zögerlich. „Unter anderem. Wen soll ich für dich töten?“

Sie sog scharf die Luft ein. „Einen König.“ Kruuns Miene verwandelte sich in Stein. Jetzt hegte er keinen Zweifel mehr daran: Diese Frau hatte etwas mit Irea zu tun. „Zomat Deshkar“, zischte er. „Ja ihn!“ Sie klang angemessen überrascht über seine hellseherischen Fähigkeiten. „Nein“, sagte er und es klang endgültig.

„Aber er hat…“, versuchte sie dennoch ihn umzustimmen. „Hat was?“, fuhr er sie mit funkelnden Augen an, als sie kurz zögerte. „Hat meine Schwester getötet.“

„Irea.“ Es war keine Frage sondern eine Feststellung. „Nein hat er nicht.“ Sie sah ihn groß an. „Was weißt du darüber?“ Er antwortete nicht gerne, aber es wäre wohl noch schmerzhafter gewesen jetzt zu schweigen. „Wenn du jemanden tot sehen willst, einen lebenden Menschen, dann mich.“

Sie schluckte. Sie rückte von ihm ab, als fürchtete sie, dass er sie nun da sie ihm so viel entlockt hatte, zum Schweigen bringen würde. „Du hast sie getötet?“, fragte sie ungläubig. Er machte eine ungewisse Handbewegung. „Ich habe einen Eid abgelegt niemals über diese Nacht zu sprechen.“ Noch ehe sie ihre Einwände hervorbringen konnte, brachte er sie mit einer herrischen Handbewegung zum Schweigen. „Nicht hier, nicht vor Zeugen.“

Sie folgte ihm in den Turm und war sich schmerzhaft bewusst, dass die sie dort niemand hören würde. Aber sie wusste auch, dass sie hier ohnehin nicht auf Hilfe hoffen durfte. Er hatte den ganzen Hof voller Gefolgsleute, während ihre drei verbliebenen Soldaten nicht vom Krankenlager hochkamen. Und selbst sie waren eher Kerkermeister als Leibwächter.

III

„Ich habe Irea geliebt“, begann Kruun die Geschichte, die mit ihrem Tod enden sollte. Oder kurz nach ihrem Tod. Sie waren bis zur Plattform ganz oben auf dem Turm hinaufgestiegen. Von hier aus konnte man die endlosen Hügelketten weithin überblicken und am östlichen Horizont den Dschungel von Qo erahnen. „Ich war damals Palastwächter. Wie Hamett und seine Männer. Ich war jung und impulsiv… Ich begegnete ihr zum ersten Mal in einem der breiten Korridore des Palastes. Sie war verhüllt und ich sah nicht viel mehr von ihr, als ich jetzt von dir sehe. Doch diese Bernsteinaugen waren genug um mir den Verstand zu rauben. Natürlich wusste ich, dass es keine gute Idee wäre diese Gefühle zu zeigen. Und so gab ich mich damit zufrieden von ihr zu träumen und gelegentlich einen Blick auf ihre weit entfernte Gestalt zu erhaschen. Ein paar Monde lang genügte mir das. Dann begann ich Pläne zu schmieden…“

Der Mann, den sie Dämon genannt hatten, seufzte herzerweichend. „Ich will dich nicht damit langweilen, welche Wachen ich bestochen habe und womit, über welche Mauern ich geklettert und durch welche Fenster ich gestiegen bin. Aber in einer schönen Vollmondnacht schlich ich mich in ihre Kammer. Das fahle Licht zeichnete die Konturen ihres unverschleierten Gesichts nach und sie war noch schöner, als ich es mir in zahlreichen schlaflosen Stunden ausgemalt hatte. Auch ich war damals noch ansehnlich und sie schien weder erschrocken noch traurig über meine Besuch. Eine junge Frau, die nicht freiwillig hier war, das merkte man ihr an. Eine von zahllosen Mätressen eines alten Mannes, der – so hieß es – nicht eine hätte befriedigen können. Wir hatten die Nacht unseres Lebens. Oder zumindest ich hatte die Nacht meines Lebens. Vielleicht bin ich zu selbstverliebt, wenn ich annehme, dass das auch bei ihr der Fall war. Und dann kam er: Gerade in dieser Nacht hatte irgendetwas oder irgendjemand den Sark daran erinnert, dass noch ein Funke Männlichkeit in ihm steckte. Und gerade in ihre Kammer hatte dieser Funke ihn getrieben.“

Wie ein Schatten der Vergangenheit lag ein verzerrtes Abbild des Schreckens, den er in jener Nacht empfunden haben musste, auf Kruuns Gesicht. „Abgelenkt wie ich war, habe ich ihn zu spät bemerkt. Er hatte den Dolch schon erhoben und ich reagierte zu langsam oder falsch in meiner Panik. Ich stieß Irea von mir, um sie in Sicherheit zu bringen, und sie landete genau in der Bahn der Klinge. Ich bemerkte es noch nicht einmal. Zu sehr forderte der Ringkampf, zwischen dem Sark und mir, meine Aufmerksamkeit. Wie glühender Stahl brannte sich der vergiftete Dolch seinen Weg durch das Fleisch meiner Wange und doch gelang es mir den Monarchen zu erdrosseln. Gerade rechtzeitig, um deine Schwester während ihrer letzten Augenblicke noch in den Armen zu halten.“

Der Krieger tastete nach der Narbe, die seit jener Nacht sein halbes Gesicht verunstaltete. „Ich wäre wohl tot, wenn nicht ihr Blut das meiste Gift abgewaschen hätte. Als wollten die Götter sicher gehen, dass ich Ireas Opfer niemals vergesse, zeichneten sie mich. Es hat bisher wirkungsvoll dafür gesorgt, dass mich keine Frau mehr so nahe an sich heran ließ. Ich hätte einfach liegenbleiben und sterben können. Doch wäre das nicht zu einfach gewesen? Um am Leben zu bleiben, brauchte ich die Hilfe des besten Giftmischers, die Hilfe Zomat Deshkars. In Halakh reicht es aus der Mörder des Vorgängers zu sein, um Herrscher zu werden. Lange genug Monarch zu bleiben, um die Vorzüge genießen zu können, ist die Kunst. Die wahre Geschichte zu verzweigen, ist der Preis den ich für die Behandlung bezahlte. Er war damals schon berüchtigt und niemand zweifelte an, dass er seinen Vorgänger selbst beseitigt hatte. Zur Sicherheit steckte er mich ein halbes Jahr in den Kerker, damit ihm Zeit blieb, seine Position zu festigen. Als Wächter allerdings und nicht als Gefangenen. Für Dich jedoch habe ich meinen Eid gebrochen. Und was hat dich auf deinen Pfad der Rache geführt?“

IV

„Ich“, begann die Frau mit den Bersteinaugen ihre Geschichte, „habe Irea gehasst. Zumindest habe ich das immer gedacht. Wir sind die einzigen Sprösse einer alten und hochnoblen Familie aus Lysor. Und wir bekamen beide zu spüren, dass wir nicht der ersehnte männliche Erbe waren. Doch anstatt diese Bürde gemeinsam zu tragen, haben wir jede noch so kleine Gelegenheit genutzt, um uns heftig zu streiten. Ich war so froh, als sie nach Halakh verheiratet wurde. An einen König, den sie nicht kannte und der ihr Vater hätte sein können, weil sich die Familie irgendwelche Vorteile von der Verbindung versprach. Ich habe sie nicht vermisst. Alles war so ruhig und einfach ohne sie. Und dann erreichte uns die Nachricht ihres Todes. Erst da begann ich zu begreifen, was mir meine Schwester wirklich bedeutet hatte.“

„Hast du es begriffen oder redest du es dir nun ein?“, fragte Kruun wenig mitfühlend. „Ist dein Sinnen auf Rache deine Art zu verdrängen, dass du zu Ireas Lebzeiten keine gute Schwester warst?“ Er hatte sich so viele Vorwürfe wegen dieses Todes gemacht, es tat auf boshafte Art und Weise gut nun einen Teil davon auf andere Schultern laden zu können.

„Es war nicht schwer die alten Männer der Familie auf die Idee zu bringen die Verbindung mit dem Thronfolger zu erneuern, indem sie eine weitere Tochter opferten.“ Sie tat als hätte sie seinen Einwurf nicht gehört und doch lag nun ein deutlich schärferer Unterton in ihrer Stimme. „Ich hoffte so an Zomat Deshkar heranzukommen. Doch dem waren inzwischen die Haremsdamen seines Vorgängers, die er an die Anführer der Wüstenstämme und andere Verbündete als Zeichen seiner Freundschaft verschenken konnte, ausgegangen. Da kam so ein Mädchen, das ihm aus einer fernen Stadt geschickt wurde, gerade recht. Keine Prinzessin, sondern nur eine Tochter aus gutem Hause. Er hat mich nicht einmal angesehen, sondern einfach bestimmt, dass ich zu einem Edelmann nach Satarla gesandt werden sollte.“

Das erklärte, wie sie mit Palastwächtern hier ins Nirgendwo irgendwo zwischen Halakh und Malakut gekommen war. An einen Ort, der von jeder nennenswerten Stadt so weit entfernt war, dass hier Räuber ohne Furcht vor Soldaten ihr Unwesen trieben. Selbst Leibgardisten eines Königs waren hier offensichtlich nicht vor dem Gesindel sicher.

V

Am nächsten Morgen erspähten die Wachposten abermals eine Staubwolke über den flachen Hügeln der Ebene. Diesmal wurde sie von mindestens doppelt so vielen Hufen aufgewirbelt. Ohne zu zögern ließ Kruun jeden zur Verfügung stehenden Parvalus satteln und ritt diesen Fremden an der Spitze von einem Dutzend Mann, das er nicht einmal zur Hälfte beim Namen nennen konnte, entgegen. Auch der gesündeste Soldat aus der Palastwache hatte ihn begleiten wollen. Doch er hatte es untersagt und war damit ausnahmsweise einmal einer Meinung mit Leandra gewesen. Mehr als eine Pfeilschussweite voneinander entfernt zügelten die beiden Gruppen ihre Reittiere und sahen einander an. Der Dämonentöter glaubte manch abergläubischen Blick, der in Richtung des dunkel und drohend aufragenden Turms der Karawanserei huschte, zu erkennen und es erfüllte ihn mit einer gewissen Genugtuung. Dennoch setzte sich einer der Neuankömmlinge um zwei Parvaluslängen von der Gruppe ab: „Wir wollen das Mädchen, die Rüstungen und die Waffen.“ Die Reittiere waren wohl eh zuschanden geritten und deshalb gab es keinen Grund auch auf sie zu bestehen. Wenn die Räuber geahnt hätten, dass die Leute, die sie für sichere Beute gehalten hatten, hierher kommen würden, hätten sie sich mit der Verfolgung weniger Zeit gelassen.

„Noch habt ihr Gelegenheit umzukehren“, teilte Kruun ihnen kalt mit. Ihren wütenden Rufen nach, war das für die Banditen keine Option. „Ist ein Zweikampf auf Leben und Tod eher nach eurem Geschmack?“, fragte er deshalb den offensichtlichen Anführer. Teufelsfratze hatte schließlich keine Ahnung wie sehr er sich im Ernstfall auf die Mannen hinter sich verlassen konnte. Zu seiner Überraschung nickte der Angesprochene, trotz der leichten Überzahl, die er befehligte. Offenbar hatte er Vertrauen in seine Fähigkeiten. Grund genug ihn sich näher zu besehen. Er war fast einen Kopf größer als  Kruun und etliche Narben auf seinen nackten Oberarmen deuteten an, dass er mehr als nur einen Kampf überlebt hatte. Dennoch wirkte der kleinere Krieger nicht wirklich eingeschüchtert. Mit einem Schnauben trieb er seinen Kroark an und zog im gleichen Augenblick Orak die Erste aus ihrer Scheide.

Die beiden Reiter trafen sich mittig zwischen ihren jeweiligen Gruppen. Zwei sichelförmige Klingen beschreiben tödliche Halbkreise während sie im Licht der jungen Sonne erstrahlten. Es war das Schwert des Narbengesichts, das zuerst in warmes, lebendiges Fleisch biss. Doch es war nicht sein menschlicher Gegner, dessen Blut er vergoss. Stattdessen fuhr seine Klinge mit einem schmatzenden Geräusch durch den Hals des Parvalus. Doch sein Gegner hatte gar nicht damit gerechnet, dass sein leichteres Reittier den Zusammenstoß überstehen würde. Er nutzte die Wucht des Aufpralls, um sich mit einer Gewandtheit, die einem so großen Mann kaum zuzutrauen war, auf Kruuns Kroark zu schwingen. Das unerwartete Zusatzgewicht brachte die zweibeinige Echse ins Wanken.

Der Dämonentöter ließ das Heft seines Schwertes auf das Handgelenkt des Räubers niedersausen, um ihn zu entwaffnen, und im gleichen Moment lösten sich seine Finger vom Griff Oraks, denn bei dem, was nun folgen würde, wären blanke Klingen zu gefährlich und unberechenbar. Mit den nächsten unsicheren Schritten ließ der Kroark die beiden Schwerter im Staub zurück, dann brach er zusammen. Das Narbengesicht stieß sich im gleichen Moment ab, um der Gefahr unter dem Körper der Echse begraben zu werden, zu entrinnen. Sein Kontrahent hatte weniger Glück. Ein paar Augenblicke sah es so aus, als würde er nicht rechtzeitig davonkommen, dann zog er sein Bein doch noch unter dem beschuppten Leib hervor, wobei er seinen Stiefel zurückließ, und humpelte schnellstmöglich davon. Hinter ihm schnappten die mit gefährlichen Zähnen bewährten Kiefer des aufgebrachten Reptils zusammen.

Kruun, der sich halbwegs elegant abgerollt hatte und schon wieder sicher stand, empfing den Anführer der Banditen mit einem Tritt vor die Brust. Der wankte zwei Schritte zurück und damit in die Reichweite der tödlichen Fänge. Mit kalten Augen sah der Halbbarbar zu, wie das Reittier seine Wut an dem Fremden ausließ. Nach der blutigen Mahlzeit würde er es zurück in die Ställe führen können. Es wäre ärgerlich gewesen einen teuren Kroark zu verlieren, weil er im Kampf außer Kontrolle geriet.

„Die Zeiten, in denen Räuber und Strauchdiebe zwischen Halakh und Malakut tun und lassen konnten was sie wollten, weil es keinen sicheren Hafen für Karawanen in diesem Landstrich gab, sind gezählt“, rief der siegreiche Kämpfer großspurig in die Welt hinaus. „Denn jetzt beherrscht die schwarze Flamme diesen Ort.“ Eine Bezeichnung, die es vor allem Iphedimeir angetan hatte. Warum auch immer. Vielleicht wäre schwarze Flamme auch gar kein so schlechter Name für sein Luftschiff. „Heute lasse ich euch nochmal gehen, aber lasst euch hier nicht mehr blicken. Wir sind mit dem Hexer des Turms fertig geworden. Wir haben keinen Grund Abschaum wie euch zu fürchten.“ Tatsächlich traten die Halunken den Rückzug an, wie geschlagene Hunde.

VI

Seit dem Kampf gegen die Räuber waren zwei ruhige Tage verstrichen und die drei lebenden Soldaten aus Halakh waren inzwischen wieder dazu fähig sich in ihren Sätteln zu halten. Auch wenn ihnen anzusehen war, dass ihre Wunden alles andere als vollständig genesen waren. Auch Kruun hatte sich einen Parvalus satteln lassen. „Ich werde euch bis Satarla begleiten“, teilte er den Gästen mit. Der Otar Hamett nickte ihm dankbar zu, doch bei den nächsten Worten des Narbengesichts verfinsterte sich seine Miene: „Dort soll… die Schwester von Irea dann entscheiden, ob sie ein Weib dieses Edelmannes werden oder eine Überfahrt nach Lysor buchen und in den Kreise ihrer Familie zurückkehren möchte.“

„Was sollen wir dem Sark sagen, wenn wir zurückkehren ohne den Auftrag ausgeführt zu haben?“ Das Narbengesicht zuckte mit den Schultern. „Dass ihr von Räubern überfallen wurdet? Dass ihr eure Leben, nicht aber das Mädchen verteidigen konntet? Zomat Deshkar wird eine andere Haremsdame finden, die er nach Satarla verschachern kann.“ Dann wandte er sich der Frau mit den Bernsteinaugen zu. „Du hast bis Sararla Zeit dir zu überlegen, ob du mich tot sehen willst und wie du es bewerkstelligen kannst, wenn dem so ist.“ Danach würde er sie nie wieder so nahe an sich heranlassen.

„Es ist erstaunlich, wie leichtfertig ihr Männer über das Schicksal einer Frau entscheidet“, eröffnete die Schwester, die Irea so sehr ähnelte, das Gespräch als sie sich am Abend, einen Tagesritt vom Turm entfernt, zu ihm ans Lagerfeuer setzte. „Selbst jemand wie du! Du hast nichts mit mir zu tun, außer dass du mal geglaubt hast meine Schwester zu lieben. Wer meinst du, dass du bist? Mein Vater, Bruder oder Onkel? Du gibst vor mir die Wahl zu lassen und dennoch legst du fest welche beiden Möglichkeiten aus der Unendlichkeit der Wege, die vor mir liegen könnten, für mich in Frage kommen. Und sollte es mir auf dieser Reise tatsächlich gelingen dich zu töten, dann nehme ich mir damit sogar diesen einen weiteren Pfad, den du mir in deiner Arroganz zugestehst. Denn wer soll Hamett dann daran hindern mich abzuliefern, wie es sein Herr befohlen hat?“

Sie sah ihn aus kalten Augen, in denen sich heiße Flammen spiegelten, heraus über das Lagerfeuer hinweg an. „Nein, ich will dich nicht tot sehen. Du sollst leben und wissen, dass du den Tod der Frau verursacht hast, von der du dir in deiner Eitelkeit einbildest sie geliebt zu haben. Den Tod der wohl einzigen Frau, die vielleicht jemals etwas für dich empfunden hat. Denn wer soll denn jetzt noch etwas anderes als Abscheu für dich erübrigen, Teufelsfratze?“

Die Worte trafen kaum verheilte Wunden und rissen diese aufs Neue auf. Und genau das war ihr Zweck, da machte sich Kruun keine Illusionen. Doch er nahm sie hin, ohne sich zu verteidigen. „Ich danke dir, Schwester Ireas, mit diesem Wissen werde ich ruhiger schlafen“, erwiderte er mit Worten, die so falsch klangen, wie sie sich anfühlten. Vielleicht würde ihn nicht die Aussicht auf einen möglichen Anschlag auf sein Leben wachhalten, die Erinnerungen und alten Schuldgefühle dafür umso mehr.

Während die Palastwachen auf ihrer Reise wieder zu Kräften kamen, wirkten das Narbengesicht und die Frau mit den Bernsteinaugen immer erschöpfter. Sie waren wie zwei Geister der Vergangenheit, die sich gegenseitig quälten und einander allen Schlaf und alle Kraft raubten. Alte, normalerweise tief begrabene Selbstvorwürfe wurden in diesen Tagen zu ihren ständigen Begleitern. In Malakut, einer Stadt, in der inzwischen kaum mehr etwas darauf hindeutete, dass vor gar nicht allzu langer Zeit ein ganzes Viertel abgebrannt war, überlegte Kruun ernsthaft andere Begleiter für Ireas Schwester anzuheuern. Doch er biss die Zähne zusammen und setzte den gemeinsamen Leidensweg fort.

Als die Mauern Satarlas endlich in Sicht kamen, sah er aus wie ein Gespenst und seine Begleiterin wirkte unter ihrem Gesichtsschleier wohl ähnlich ausgezerrt. Aus der Ferne sah die Stadt der Städte wie ein aus Elfenbein geschnitztes Kleinod aus. „Es hat gut getan einen Teil meiner Schuldgefühle mal jemand anderem aufzuladen. Doch der Preis, den du mir dafür abverlangt hast war hoch“, bemerkte der Halbbarbar mit einem freudlosen Grinsen, das ihn wie einen ausgehungerten Wolf aussehen ließ. „Im Gegensatz zu mir trägst du keine Verantwortung für Ireas tot. Und so wenig ihr es euch gezeigt haben mögt, ihr wart doch Schwestern. Sie wusste das. Nirla, nicht wahr? Sie hat von dir gesprochen und sie klang nicht so, als hätte sie irgendeinen Groll gegen dich gehegt.“ Eine Lüge, es hatte nur eine Nacht mit Irea gegeben und in der hatten sie sich nicht die Zeit genommen miteinander zu sprechen. Schon gar nicht über eine verhasste Schwester. Er hatte Hamett nach dem Namen dieser Frau fragen müssen und hatte ihm einen grausamen Tod angedroht, falls er es Nirla jemals verraten würde.

Vermutlich durchschaute sie seine Lüge trotzdem und doch glaubte er so etwas wie ein dankbares Lächeln unter ihrem Schleier zu erahnen. „Das wird dir helfen deinen eigenen Weg zu finden. Wähle weise unter den unendlichen Möglichkeiten.“ Der Krieger drückte einen klirrenden Beutel in die schmale Hand der Frau, die so viele schmerzhafte Erinnerungen in ihm geweckt hatte. „Du hast wohl nicht vor den Edelmann zu heiraten?“, mischte sich in dem Moment der Otar ein. „Dann werde ich die Räuber bemühen müssen, um mein Versagen zu erklären“, fuhr er fort, als ihn zugleich die schneidenden Blicke von Nirla und Kruun trafen. Er und seine verbliebenen zwei Männer wendeten ihre Reittiere, ohne Satarla auch nur betreten zu haben.

Das Narbengesicht beugte sich zu der Schönen hinüber und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Gehe deinen Weg“, flüsterte er und klopfte ihrem Parvalus auf die Hinterbacken. Aus der Ferne sah er zu, wie sie durch das Stadttor verschwand. Erst als sie sich längst Gedränge der Stadt verloren hatte, folgte er ihr. Die Gefahr sich zufällig nochmals zu begegnen war in der Metropole äußerst gering und er hatte mit seinen Freunden abgemacht sie in Satarla zu treffen, sobald sie genug vom Dschungel hatten.

Kruun befreit die Azurnen II

Kruun befreit die Azurnen Teil II (Zwei Spielrunden)

Logbuch der u’Nobs Vendetta Tag VI Nachtrag

hier berichtet Kapitän Kruun, Luftpirat

Die Schiffe trennten sich. Ein sicheres Zeichen, dass sie uns bemerkt hatten. Wir mussten uns entscheiden, welches wir zuerst angreifen sollten. Obwohl dafür nur Sekunden blieben, berücksichtigten wir alle Fakten und warfen eine Münze. Das Anlegemanöver an einem Schiffsmast ist nicht leicht. Kaum einem Piloten ist es bislang gelungen. Tatsächlich kann ich es nur von einem mit Sicherheit sagen. Von mir. Während ich das Schiff in Position hielt, bis es am Mast vertäut war, sprang Ka’ani kühn in die Takelage, Iphedimeir pustete Gegner mit seiner Magie vom Mast und u’Nob ging auf das Deck nieder wie ein Donnerschlag. Unser Magier schwebte hinterher, wie ein Blatt im Herbstwind und nun, da das Luftschiff sicher vertäut war, konnte auch ich den Sprung in die Wanten wagen.

Während Ka’ani, u’Nob und ich an Deck wüteten, wie ein Orkan, drang Iphedimeir in den Bauch des Schiffes und zu den Gefangenen vor. Es gab ein großes Hurra, als er die Gefangenen befreite und doch – oh Schreck – war kein Blauer unter ihnen. Unterdessen stellte Tanium einmal mehr seine eindrucksvolle Kraft unter Beweis, indem er einen Piraten durch die Planken der Galeere hindurch schlug. Auch Ka’ani und ich kämpften unterdessen wie die Teufel und lehrten die Piraten das Fürchten.

Doch der Kampf dauerte lange und die Gegner waren Zahlreich. Der unerschütterliche u’Nob ging zu Boden und selbst ich stand kurz davor. Doch der Anblick eines Dutzends Azurner, die das Deck stürmten, trieb das feige Piratenpack in die feuchten Arme der See. Iphedemeir war es gelungen diese armen Wesen im untersten Frachtraum aufzuspüren und zu befreien. Was zu diesem Zeitpunkt niemand ahnte: Die Blauen hatten gar kein Interesse daran für ihre Freiheit und ihre Sache zu kämpfen. Friedfertig wie die Lämmer und dabei eindrucksvoll wie eine Herde wilder Bouphons. Wie erfrischend anders da unser u’Nob vom Stamme der Tanium doch ist. Ein Krieger durch und durch!

Ein Geschäftsmann ist dagegen nicht an ihm verloren gegangen. Er verschenkte die Galeere kurzerhand an die Azurnen und die inzwischen ebenfalls befreiten Rudersklaven. Bei den blauen handelte es sich um die letzten Angehörigen des Stammes der Kavaar, der fast vollständig von den Mitis, einem sehr blutrünstigen Stamm der Azurnen, ausgelöscht wurden. Diese berauschen sich mit Ferozin, hausen am Rande des Qo-Dschungels und betreiben Sklavenhandel.

Toll, der Stammesführer, machte u’Nob wenig Hoffnungen, als er nach möglichen Überlebenden der Tanium gefragt wurde. Sein Sohn Borg war der einzige der Sippe, der etwas Mumm in den Knochen zu haben schien. Leider hatte er (noch) nichts zu sagen. Einen Schamanen namens Chun hatten sie auch noch mit dabei.

Außerdem erfuhren wir, dass sich auf dem anderen Schiff ein Zauberer namens Ikuppi, ein mächtiger Anwender finsterster und verwerflichster Künste, aufhalten sollte. Diese habe einen Pakt mit Vartarlar, der selbst den Thron des Piratenkönigs besteigen wolle, geschlossen.

Unterdessen hatte der letzte an Bord verbliebene Pirat, ein gewisser Nork, Probleme mit den Galeerensklaven bekommen. Wir haben weiche Herzen und nahmen in unter unsere Fittiche. Außerdem verfügt der Kerl über nützliches Wissen, das vor allem u’Nob bei seiner Suche weiterhelfen wird. Den Treffpunkt mit den Mitis zum Beispiel. Irgendwo zwischen Oomis und Festral. Außerdem wusste er zu berichten, dass Ikuppi ein Vertrauter des obersten Magiers von Thule ist – da wurde Iphedimeir hellhörig. Und bei seiner Begegnung mit den Mitis hatte er mit dem Stammeshäuptling Iorma persönlich zu tun.

Mit Toll handelten wir noch aus, dass sie sich bei unserer Karawanserei niederlassen und dort die Handelsnetzte wieder aufbauen sollten. Den Weg dorthin würden sie schon finden. Azurne sind für die weiten Strecken, die sie unermüdlich zurücklegen, bekannt.

Zurück auf dem Luftschiff ließen wir erst einmal unsere Wunden von Leandra versorgen und beschlossen eine Nacht durchzuschlafen. Das würde dabei helfen nach dem harten Kampf wieder zu Kräften zu kommen. Außerdem war ein Gewitter heraufgezogen und bei solchem Wetter lässt es sich nicht gut Piraten jagen.

Logbuch der Dämonenbraut Tag VII

hier fabuliert Kapitän Kruun, Seewolf

Einem Schiff auf hoher See zu viel Vorsprung zu lassen, ist nicht die geschickteste taktische Entscheidung. Hier sieht alles gleich aus. Ohne Iphedimeirs Magiegespür hätten wir die Galeere noch immer nicht gefunden. Einem Magier viel Zeit zur Vorbereitung zu lassen, ist eine taktisch noch ungeschicktere Entscheidung. Fast wünschte ich, wir hätten das Schiff nicht gefunden. Es liegt ein höllischer Kampf hinter uns. Die Dämonenbraut ist derzeit nicht flugfähig!

Ikuppi, dieser Mistkerl, holte uns mit seinem vermaledeiten Zauberwerk vom Himmel. Mit Purpurlicht und allem, was dazugehört. (Da kann sich aber Iphedimeir mal eine Scheibe davon abschneiden.) Dabei stürzte auch Nork und mit ihm sein Wissen über die Piraten in die Tiefe. Wir dümpelten einige Fingerbreit über der Wasseroberfläche dahin und die Galeere machte sich bereit uns zu rammen. Ich schlug einen gepflegten Sprung ins Wasser vor, aber Iphedimeir und u’Nob wollten unbedingt versuchen an Bord zu kommen. Trotz der fünf Dutzend Seesoldaten, die sich dort tummelten. Vielleicht lag es an dieser inneren Überzeugung selbst den taktisch bessern Vorschlag gemacht zu haben, dass es mir schließlich misslang, was sie schafften. Oder meine Verbundenheit als Kapitän mit meinem Schiff trug Schuld daran. Jedenfalls mussten sie schon einmal Vorarbeit leisten, ehe es schließlich auch ich über die Reling schaffte.

Zeit es uns dort gemütlich zumachen blieb allerdings nicht. Ein Zauber, der vermutlich uns gegolten hatte, sprengte den ganzen Bug der Galeere ab. Während mir dieser Umstand eigentlich recht gelegen kam, versuchten meine Gefährten mit aller Gewalt und akrobatischen Einlagen an Bord des falschen Schiffes zu bleiben. Warum nicht einfach abwarten, bis das Ding absäuft und anschließend diesen Ikuppi aus dem Wasser fischen, dachte ich mir während ich mir von meinen Männern an Bord des Luftschiffes, das inzwischen etwas höher schwebte, helfen ließ. Ich habe noch nie von einem Zauberer gehört, der schwimmend ein Ritual hinbekommt.

Mir gelang es listenreich einige der Seesoldaten in die Fluten des Meeres zu locken, indem ich ihnen versprach sie an Bord zu nehmen. Unterdessen pflügten u’Nob und Iphedimeir hirnlos durch ihre Reihen. Das war kaum mitanzusehen und so hüpften Ka’ani, die inzwischen aus ihrem blutigen Delirium erwacht war, und ich über die Köpfe der Schwimmer, die so verzweifelt um die versprochenen Plätze an Bord wetteiferten, hinweg auf die Galeere. Was für ein Anblick das gewesen sein muss!

Dort angekommen halfen wir dabei das Deck freizuräumen und kämpften uns zu Ikuppi durch, der seine Munition verschossen zu haben schien. Doch halt, einen Pfeil hatte er noch im Köcher. Ein ziemlich böse aussehendes Schwert! Mit dem Ding spaltete er u’Nob sogar den Hammerhandschuh. Doch auch das half ihm letztendlich gegen unsere gebündelte Macht nicht weiter.

Tamium machte mit dem Schwert, was mit magischen Kram gemacht werden sollte, und entsorgte es im Meer. Iphedimeir machte, was Magier mit magischem Kram zu machen pflegen und besorgte es sich wieder. Um ihm weitere Tauchgänge zu ersparen, haben wir darauf verzichtet auch die Ringe des Magiers zu versenken. Wir hatten ohnehin wichtigeres zu tun: Ein paar Sklaven zu befreien, anstatt sie absaufen zu lassen. So konnten sie sich ein Floß bauen, das ihre Überlebenschancen gewaltig steigerte. Und damit auch die richtigen Leute dort Platz fänden, schossen wir noch ein paar Piraten ab.

Doch wie vorankommen, wenn ein Luftschiff nicht fliegt sondern nur ein wenig schwebt? Rudern, eine verdammt zähe Angelegenheit. Vor allem wenn hinten noch ein Floß dranhängt und manche Leute wollen, dass es da auch hängen bleibt.

Logbuch der Müden Gans Tage VIII – XII

hier schreibt Kapitän Kruun, Rudersklave

Rudern – gen Westen.

Logbuch der Kruuns Zorn Tag XIII

hier entrüstet sich Kapitän Kruun, Freiheitskämpfer

Wir haben ein Schiff aus Parsool gesichtet und u’Nob hat uns bemerkbar gemacht. Die Kerle schleppen unser Schiff zwar ab, aber sie wollten dass wir entwaffnet auf ihr Schiff kommen. Dem konnte ich als Kapitän nicht nachkommen. Ich habe auf Deck der „Lady of the Sea“ verdammt lange nichts von Ka’ani, u’Nob und Iphedimier gesehen.

Ich habe mit dem Kapitän der „Lady“ gesprochen. Thor Dongnus scheint ein Ehrenmann zu sein. Ich lasse meine Waffen hier und werde mit ihm zu Abend essen.

Er hat Wort gehalten und mich wieder auf mein Schiff gelassen. Der Kapitän ist wirklich ein feiner Kerl, doch sie haben Leute von der Hexenwacht aus Tyrus mit an Bord. Um Konflikt zu vermeiden wurden meine Gefährten in einer eigenen Kajüte, die verflucht nach einer Zelle aussieht, untergebracht. Ich habe Ka’ani versprochen ihre Waffen wieder an Bord unseres Schiffes zu bringen. Das wurde mir gestattet. Von Iphedimeirs magischem Kram keine Spur. Aber der sagte ja eh, dass das Zeug auf der „Lady of the Sea“ besser aufgehoben sei, als bei mir. Ich hoffe in der Stadt lässt sich alles klären. Der Master Sealguard soll durchaus kompetent sein.

Logbuch der Ka’anis Schmerz Tag XIV

hier wundert sich Admiral Kruun, Befehlshaber der zweitgrößten Luftschiffflotte

Traue niemals einem Mann aus Parsool! Wir haben endlich den Hafen erreicht und man hat meine Crew abgeführt wie Verbrecher. Ka’ani konnte sich zum Glück vor dieser Hexenwacht ins Hafenbecken flüchten und u’Nob ließen sie gehen. Iphedimeir wurde aber den Leuten aus Tyrus übergeben und ausgerechnet die geretteten Galeerensklaven sollen mit ihm als „Piraten“ hängen. Mich hat man vor die Wahl gestellt: Das Schiff übergeben und zu verschwinden, oder mich ebenfalls als Pirat hängen zu lassen. So geht man hier in der Stadt der angeblichen Piratenjäger als mir wirklichen Piratenjägern um?

Der Hinweis, dass ich der einzig freie und von Sartala unabhängige Luftschiffkapitän bin und meine Hilfe wertvoll wäre, brachte diese Pfeifen zumindest etwas zum Nachdenken. Doch sie wähnten sich dennoch in der stärkeren Verhandlungsposition, da mein Schiff ja nicht flugfähig sei. Etwas, das ich nicht bestätigen wollte.

Und manchmal hat man das Gefühl, dass sich die Götter tatsächlich für das Schicksal eines kleinen bescheidenen Helden interessieren. Denn gerade in diesem Moment berichtete mir einer meiner Männer, dass das Schiff offenbar wieder funktionstüchtig sei. Ich signalisierte ihm den Aufwärtsschub zu erhöhen und wartete den richtigen Moment ab, um die Taue zu kappen. Und schon hatte sich unsere Verhandlungsposition deutlich verbessert. Wie zum Hohn drehte ich noch eine Runde über den Dächern dieser verdammten Stadt, dann waren wir verschwunden.

Wir haben in ausreichender Entfernung versteckten Landeplatz gefunden. Ich werde mich sofort auf den Weg nach Parsool machen, um zu sehen, was ich für meine Freunde tun kann. Und wenn es das Luftschiff kostet…

Logbuch der Kruuns Tücke Tag XV

hier taktiert Kapitän Kruun, Ränkeschmied

Ich habe noch gestern Abend in Parsool dafür gesorgt, dass meine Nachricht an möglichst hochrangige Ohren herangetragen wird: Kapitän Kruun möchte verhandeln. Und falls seinen Freunden was zustößt, betrachtet er die Verhandlungen als gescheitert.

Heute Morgen herrsche viel Unruhe in der Stadt. Es heißt Ikuppi würde hingerichtet und die Besatzung der Lady of the Sea hätte diesen mit den Piraten zusammenarbeitenden Magier geschnappt. Was für eine Ladung Bouphondung soll das bitte sein? Ich muss jetzt zur Verhandlung. Vielleicht lässt sich da einiges klären.

Dieser Kalev Bauk, den sie mir geschickt haben, ist eine ebensolche Pfeife, wie all die anderen Mistkerle in diesem verdammten Parsool, Vermutlich hat auch dieser Master Sealguard nichts verstanden. Sein Kapitän, dieser verlogene kleine Thor Dongnus, schmückt sich mit unseren Federn und alle nehmen es einfach hin. Ich stehe jetzt auf irgendeiner Liste als „Pirat“! Pah! Zum Glück konnte ich die Verhandlungen aus luftiger und sicherer Höhe führen.

Und einen Vorteil hat die grenzenlose Inkompetenz dieses Kalev Bauks: Er hat ausgeplaudert, dass „wir“ diesen „Ikuppi“ befreit hätten. Um meine Freunde, insbesondere Iphedimeir, muss ich mich wohl nicht mehr sorgen. Und jetzt schreibe ich Sark Zandar Bley einen offenen Brief, den ich per Luftpost zustelle. Der Mann soll wissen, was er für Pfeifen beschäftigt und welche Gelegenheiten diese ihm verbauen. Er hätte die zweitgrößte Luftschiffflotte überhaupt haben können! Und den zweiterfahrensten Luftadmiral!

Inzwischen habe ich meine Gefährten tatsächlich ausfindig gemacht. Wohlbehalten und außerhalb von Parsool. Nur Iphedemeir sieht aus, als hätte sich ein irrer Maler an ihm verkünstelt. Wir fliegen nun erst einmal zum Turm der schwarzen Flamme. Vielleicht ist es klüger unsere nächsten Reisen ohne Luftschiff zu unternehmen…

Kult der Schwarzen Flamme

Der Schatten erwuchs im Süden und bewegte sich schnell über das Land. Ihm fielen Druiden, Banditen und Piraten zum Opfer, während ein dunkler Turm erwuchs und ein Luftschiff sich erhob und die Azurne Armee sich sammelte. Es hieß, dass sich unter den Meistern der Schwarzen Flamme ein Riese befand, der mit dem Schlag seiner Faust Paläste zum Einsturz bringen konnte. Man sagte, dass unter den Meistern der Schwarzen Flamme grausame Diener der Dunklen Götter wandelten, eine Abgesandte Tharungozoths, die jeden Tag neun Leben nahm und ein entstellter Diener Morgazzons, dessen Anblick allein einen Mann in den Wahnsinn trieb. Man sagte, dass der Vierte Meister der Schwarzen Flamme ein Zauberer war, der Fillana die Macht über die Sterne stahl. Und man sagte, dass die Meister der Schwarze Flamme die Welt vernichten wollten, um sich an den Göttern zu rächen. Es hieß, dass jeder Mann und jede Frau mit ausreichend Zerstörungswillen bei der Schwarzen Flamme willkommen war. So wuchs der Kult und setzte sich wie ein Geschwür in jede Stadt und jeden Winkel des Landes. Bald kam es zu einem Krieg zwischen den Kulten und niemand wusste, wie der Aufstand der Flamme enden mochte. War es wahr, dass die Meister der Schwarzen Flamme den Fluch über der sagenhaften Stadt Shabur brachen, um sich in den Besitz eines Artefaktes der Dunklen Götter zu bringen, das ihnen die Eroberung des Südens ermöglichte? War es wahr, dass die Schwarze Flamme den Rat der Zauberer von Zalut vernichtete und über die Macht von Thule gebot? War es wahr, dass die Schwarze Flamme alle Azurnen Lemurias vereinigte, um den Norden zu erobern? War es wahr, dass die Schwarze Flamme die Hexenkönigin von der Feuerküste zu ihrer Dienerin machte? War es wahr, dass die Schwarze Flamme den Königen der Welt ihre Schätze nahmen? Wir wissen es nicht genau. Aber niemand war in diesen Zeiten sicher.

– aus der Blutroten Edda